Inzwischen sind wir von Griechenland nach Bulgarien weitergezogen. Von allen Ländern, die wir bereist haben, hatte ich das erste Mal das Gefühl weit weg von zuhause zu sein. Vermutlich macht ein Teil schlicht und einfach die Schrift aus, denn man kann nichts lesen – keine Straßenschilder, keine Inhaltsangaben auf den Lebensmitteln, nicht mal die Bedienungshinweise für die Waschmaschine. Weder das griechische Alphabet noch die kyrillischen Buchstaben der Bulgaren lassen erahnen um welches Wort es sich handeln könnte. Verwundert bin ich dann doch, wie gut wir trotzdem zurechtgekommen sind. Irgendwie geht es halt immer.
Und während in Griechenland in den Lebensmittelläden überwiegend griechische Produkte verkauft werden, macht es uns Bulgarien, wie so viele andere Länder, leicht. Da werden auf die deutschen Haferflocken und Kaiserbrötchen einfach Sticker mit der landessprachlichen Inhaltsangabe aufgeklebt. Sogar ein zünftiges Paulaner Hefeweizen kann man hier kaufen. Merkwürdig, oder?
An dieser Stelle will ich dann mal outen, dass wir keine kulinarische Reise machen. Ich bin der Überzeugung, dass man sich seine Schlachten wählen muss. Die landestypischen Gerichte der Reiseländer lernen wir nur selten kennen. Nicht weil ich das nicht spannend fänden, sondern weil es sich für uns einfach als unpraktikabel und anstrengend herausgestellt hat. Kochen für eine Mannschaft aus Vegetariern, Glutenfreien, Milchproduktverabscheuern und Zuckergegnern ist ohne hin schon ein Spießroutenlauf. Im Rahmen der Vereinfachung gibt es seit ein paar Wochen etwas mehr als eine Handvoll schneller Rezepte mit einfachen Zutaten, die sich gut besorgen und gut lagern lassen. Und als Ziel zum Thema „Essen machen“ gilt die Parole: Alle am Leben halten! Und ich sag mal so, seitdem ist auch das Thema „Essen machen“ entspannt. Wie gesagt, man muss seine Schlachten wählen. Ich wähle: auf „Öööh, schon wieder Nudeln! Kann es nicht mal wieder Quiche geben?“ mit „streng gucken“ zu reagieren.
So war ich also sehr froh, als ich heute in Bulgarien in den KAUFLAND gehen konnte und ganz einfach glutenfreies Mehrkornbrot von Schär, Gewürzgürkchen und Haferflocken einkaufen konnte, ohne an den Buchstaben herumzurätseln. Aber verwundert hat es mich schon.
Eine Kleinigkeit macht mich in Bulgarien noch stutzig: an allen Ecken stehen Kaffeeautomaten. Solche wie man sie in Kantinen oder Schulen hat, die, bei denen der Kaffee fies schmeckt, wenn der Käufer vor einem die Hühnerbrühe daraus getrunken hat. Und wer kennt es nicht? Man sieht den Automaten- ahnt schon, dass man es nicht tun sollte – tut es trotzdem – man schmeißt 1,50€ in den Schlitz – der Kaffee kommt – und dann: „Urgh!“ – einer der Automaten, die seit mindestens 3 Dekaden nicht sauber gemacht wurde. Jedenfalls sieht man hier in den kleinsten Örtchen diese Automaten an den unglaublichsten Stellen. Ich frage mich nur: Wer macht die eigentlich sauber? Merkwürdig…!
Aktuell sind wir in Griechenland und ich sitze hier und schreibe bei angenehmen 22°C mit Blick auf den Golf von Korinth. Nach dem Regen und den etwas anderen Lebensverhältnissen in Albanien waren die letzten 10 Tage bei tollem Wetter fast ein bisschen wie Urlaub. Wir haben die Berge von Meteora gesehen und die Ausgrabungsstätte am Orakel von Delphi besucht. Jede Etappe unserer Reise scheint etwas anderes für uns bereit zu halten, diesmal waren es Menschen, denen wir uns verbunden fühlen. Natürlich trifft man auf Reisen viele und immer wieder neue Menschen und das macht auch ein Teil des Reizes aus. Häufig bleiben Kontakte aber auf den Ort beschränkt, an dem man zusammen war und nur selten werden Telefonnummer oder E-Mail-Adressen ausgetauscht.
In Meteora hatten wir das Glück, Gleichgesinnte im Geiste zu treffen. Denn es tut einfach gut jemanden zu treffen, der nicht nur sagt „Mensch, find ich toll was ihr da macht“, sondern Menschen, bei denen man das Gefühl hat, da ist jemand, der die Gründe nachvollziehen kann. Daraus können sich zum einen sehr nette Gespräche entwickeln und für die Mädels ist es auch schön mal mit jemand anderem etwas zu unternehmen, und sei es nur eine Partie Kniffel. Zum anderen können andere Menschen auch Erfahrungen bieten, die wir Eltern nicht bieten können. So hatte Finja die Möglichkeit mit einem professionellen Sportler zu trainieren. Sie war tagelang ganz voll davon und schwärmt seitdem für Leichtathletik.
Mein Fazit ist, Kinder profitieren von Kontakten außerhalb der Familie sehr. Aber muss man dafür in die Schule gehen? Nach einem Jahr „Homeschooling“ denke ich, nein das muss man nicht.
Vor ein paar Tagen hatten wir sozusagen einjähriges „Homeschooljubiläum“. Wobei ich das Wort „Homeschooling“ eigentlich gar nicht mag. Ich finde, dass es nicht besonders gut passt. Das was wir machen ist weder „home“ noch „school“. Im Grunde ist es nichts weiter als die logische Weiterführung dessen, was ich seit ihrer Geburt mit den Kindern tue. Ich begleite ihren Lernprozess, indem ich „vormache“, den Prozess des Übens begleite, mit ihnen zusammen Neues entdecke und mich an den Lernfortschritten erfreue. Wenn plötzlich etwas klappt, singe ich auch gern mal laut „Mein Gott, mein Gott jetzt hat sie’s“ aus der Operette „My Fair Lady“.
Es ist meiner Erfahrung nach nicht wichtig um welche „Lerninhalte“ es geht. Es ist egal, ob das Kind lernt sich vom Bauch in die Rückenlage zu drehen oder ob es die Sache mit den verflixten Brüchen plötzlich verstanden hat. Das Prinzip ist das Gleiche und meine Rolle auch: ich freu mich diebisch! Lernen ist ein intrinsisch motivierter Prozess, will heißen Lernen macht Spaß und ist außerdem ein natürlicher Prozess, der von ganz allein passiert.
Letztendlich ist es doch so, jeder kennt es, wenn man etwas kann, was man vorher nicht konnte, freut man sich darüber. Wenn man jemanden hat, der sich mit einem freut und die Sache dadurch noch mehr Bedeutung bekommt, noch viel besser. Ob derjenige, das erste Mal einen Marathon gelaufen ist oder zum Schuhe zubinden endlich wieder an die eigenen Füße kommt spielt keine Rolle. Es ist die Freude am eigenen Erfolg die uns Dinge „lernen“ und üben lässt.
Es gibt viele Facetten alternativer Schulformen: Freilerner, Unschooler oder Homeschooler. Ich denke, dass die verschiedenen Prinzipien deshalb oft gut funktionieren, weil Kinder in der Regel aus eigenem Antrieb lernen. Ich denke auch, dass es für einen Teil der Kinder stressfreier ist, dass in „Ruhe“ zu tun. Wenn Kinder in einem sozialen Gefüge wie einem Klassenverband sind, entstehen selbstverständlich viele Spannungs- und Lernfelder, die sie gleichzeitig mit verarbeiten müssen. Das lenkt zum einen vom eigentlichen Thema ab und zum anderen nimmt es dem ein oder anderem auch den Spaß am Lernen. Weil wenig Platz für individuell tiefere Beschäftigung mit dem Thema ist, weil zwischenmenschliche Themen in den Vordergrund treten, weil das System für Stärken und Schwächen nicht durchlässig ist und nicht zuletzt weil ein natürlicher Lernprozess nicht mehr in eine Freude über den Lernfortschritt endet sondern in ein enges Notenkorsett gequetscht wird.
Ich bin lange Zeit dem Irrtum erlegen, dass man Noten vergibt, um die Leistung oder die Motivation zu steigern. Ich kann zumindest für meine Kinder sagen, dass das nicht funktioniert. Sie waren nie motivierter und haben noch nie mehr geleistet (in der Schule zumindest) als jetzt und im Übrigen ist es auch das, was ich an vielen anderen Stellen beobachte. Da treffe ich Kinder, die in manchen Bereichen unglaubliches Wissen haben. Frag die mal nach Automarken, Vulkanen oder Pferderassen. Aber in der Schule scheint nichts hängen zu bleiben. Wie kann das? Sicher gibt es einige Gründe. Einer mag die Sache mit den Noten sein. Auf mich wirkt das System mit den Noten ein bisschen so als würde man bei einem Sprint-Läufer nicht nur die Zeit nach 100m werten, sondern auch einbeziehen, wie gut er beim Lauf ausgesehen hat.
Einen Punkt will ich als Grund aber gern ausgeschlossen wissen: die Themen – sprich die Lerninhalte. Aus zwei Gründen. Erstens: Alle Themen, die in der Schule unterrichtet werden sind spannend. Es stimmt einfach nicht, dass es langweilige Themen gibt. Ich hab‘ jedenfalls in noch keinem Schulbuch eins gesehen. Wer eins findet möge mir bitte Bescheid geben, das schaue ich mir an. Und zweitens und das viel Wichtigere: Lernen ist intrinsisch motiviert, das Thema spielt nur eine untergeordnete Rolle, die Sache als solche macht schon Freude.
Wie gesagt, es gibt Menschen, die sich freuen, wenn sie ihre Zehen wieder berühren können und das ist klasse! Wenn wir also am Tisch sitzen und gegen das „Mathemonster“ kämpfen und sich die beiden „Grundschüler“ mit an den Tisch quetschen und eifrig mitfiebern, bis am Ende das letzte Ergebnis in der fiesen Bruchrechenschlange stimmt und wenn dann alle abklatschen und fröhlich sind, ganz ehrlich – dann kann es doch nicht am Thema gelegen haben. Es macht einfach Spaß das zu können!
Nach einem Jahr ziehe ich also folgende Bilanz, die Kinder profitieren im Allgemeinen vom Kontakt mit anderen Menschen sehr, aber das Lernen von „Schulstoff“ geht ohne „Schule“ leichter.
„Meinst du nicht deine Kinder könnten etwas verpassen?“ Das ist eine der häufigsten Fragen derer die sich kritisch zu unserem Reiseabenteuern äußern. Die Antwort darauf ist: „Ja, sicher!“. Natürlich verpassen die Kinder etwas, wenn sie einen Großteil des Jahres nicht zuhause bei Verwandten und Freunden verbringen und „Ja, sicher!“ lernen sie in der Schule andere Dinge, als sie das tun, wenn wir unterwegs sind. Das kann ich dann auch guten Gewissens so stehen lassen, weil es stimmt. Wir haben viele liebe Menschen „zuhause“ gelassen und unsere Mädels sind gerne zur Schule gegangen und manchmal haben wir auch Sehnsucht nach zuhause und Zweifel daran; ob es wirklich richtig ist, trotzdem zu reisen.
Und dann, am letzten Wochenende, da war es mir wieder so klar, dass es genau das ist, was im Moment für uns richtig und gut ist. Im Rahmen unseres „Geschichtsunterrichts“ Klasse 7 und weil es cool war, haben wir eine mittelalterliche Höhlenburg in Slowenien besichtigt. Der nette Guide am Eingang, hat uns freundlich eingewiesen, uns mit Audioguides ausgestattet und gesagt „Sie werden so ca. eine Stunde brauchen“, mit einem Seitenblick auf unsere muntere Kinderschar. Am Ende waren wir gute drei Stunden in der Burg, wir haben alle Schilder gelesen, alle Texte angehört und Parallelen zum Physik- und Erdkundeunterricht gezogen. Die Kinder waren mit Feuereifer bei der Sache und die Begeisterung, mit der sie die Welt entdecken, macht mich stolz.
Die Neugier und Begeisterung beschränkt sich nicht nur auf Burgen, sondern bezieht sich auf so ziemlich alles, dem wir begegnen. Zum Beispiel Europas zweitgrößte Höhle, die sie mit Patric besichtigt haben oder auf die Flora und Fauna der Vintgar Klamm, durch die wir am Tag zuvor gewandert sind.
Wir wollen nicht, dass unsere Kinder etwas verpassen. Es geht darum Verantwortung zu übernehmen, für die wenige Zeit, in der wir das Privileg haben sie auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten.
Deshalb reisen wir – für mehr Familienzusammenhalt, für gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen, für mehr Zeit zum Kind sein, für mehr Zeit für die übergeordneten Ziele und Werte und um die Neugier auf diese Welt, mit all seinen Felsenburgen, Höhlen und Grottenolmen, am Leben zu halten.
Steht dem, was die Kinder verpassen denn auch ein Gewinn gegenüber??
Manchmal ist es doch merkwürdig, auf welche Weise sich die kleinen Zeichen des Lebens uns anbieten, oder? Vielleicht geht das auch nur mir so:
Unsere erste Etappe führte von Berlin nach Österreich (gut 700 km), das ist mehr als wir am Stück schaffen, also haben wir nach bewährtem Verfahren wieder die Nacht auf einem Autobahnrastplatz geschlafen. Das ist für uns die effizienteste Methode um „Strecke zu machen“. Wir können mit schlafenden Kindern so lange fahren, wie es die eigene Müdigkeit zulässt, verlieren keine Zeit durch Wege zum Campingplatz über Land und unnötiges Auf- und abbauen und am nächsten Morgen geht es direkt weiter, Frühstück gibt es im Auto. So haben wir die erste Nacht dieser Tour auf einem Autobahnrastplatz zwischen Berlin und Passau verbracht. Nach der, zugegebenermaßen, recht lauten Nacht, schlapp ich also mit meinem Rastplatzmorgenkaffee (übrigens noch ein Vorteil von Rastplatzübernachtungen: der Kaffee am Morgen.) … schlappe ich also über den Rastplatz und da kommt es mir entgegen, mein Zeichen von Freiheit, in Form eines polnischen LKW Fahrers.
Die Morgensonne scheint vom blauen Himmel, der Kaffee dampft und vor mir kreuzt er – nackt bis auf den Schlüpfer, behaarter Rücken bis zum Hals und in der typischen Figur eines Mannes der tagein tagaus im LKW sitzt., meinen Weg. Und mich flutet das Gefühl, „That made my day!“ Leider gibt es dafür keinen guten deutschen Ausdruck und außerdem war es exakt das, was ich gedacht habe. Aber warum? Nun entsprechen Männer dieser Statur so gar nicht meinem Ideal von Sexappeal, andernfalls hätte ich mit Patric die wohl denkbar schlechteste Wahl getroffen. Dieser Mann strahlte aber einen Frieden mit sich selbst und der Welt aus, dass es fast greifbar war. Er war frei davon, wie man aussehen „sollte“ oder was bzw. ob man etwas anziehen „sollte“, welcher Ort besonders schön ist und welche Geräuschkulisse angenehm ist. Er wirkte wie jemand, der genau da war, wo er sein wollte und das im Schlüpfer neben der A9 zwischen Berlin und Passau.
Das ist für mich Freiheit, das zu tun, was man möchte, unabhängig davon wo man ist, wer man ist oder was von einem erwartet wird.
Ich muss zugeben, es hat ein paar Tage gedauert bis ich verstanden hatte warum mir diese Szene so gut gefiel. Aber dieser Mann hat mich in seiner Unbefangenheit beeindruckt.
Wir haben die letzte Woche hier in Oberösterreich verbracht und die Sonne genossen. Wir waren Schwimmen, die Mädels und ich waren Stand-Up-Paddeln und wir haben die ersten Tage unterwegs genossen.
Das ist auch Freiheit, aber bei Weitem noch nicht so formvollendet wie die des Truckers.
Nichts! Eigentlich braucht es weniger. Letzte Woche waren wir an einem der wunderschönen, palmerischen, schwarzen Strände, ganz spontan und ohne „das große Gepäck“.
„Das große Gepäck“ ist der Krempel, den meist die Väter auf Wunsch der Mütter in Taschen, Rucksäcken und Bollerwägen an den Strand karren. In der Regel erkennt man die Lastenträger unter den Tüten und Taschen gar nicht. Strandmuschel, Sonnencreme, Kekse, Bücher, Badekollektionen in diversen Ausführungen, Handtücher, Getränke, Sonnenhüte, Erste Hilfe Set, Strandlatschen, Sandspielzeug und vieles mehr findet so seinen Weg ans Meer. Auch wir sind schon so am Strand angereist. Aber wenn ich ganz selbstkritisch darauf blicke, sind am Ende des Tages zwar alle Sachen gleichmäßig mit Strandsand einpaniert und müssen gewaschen werden, wirklich gebraucht, im Sinne von es war notwendig, wurde das wenigste.
Letzte Woche waren wir, wie gesagt ohne den ganzen Krempel am Strand. Da wurde mir mal wieder klar, was ich schon seit längerem weiß. Tatsächlich ist weniger manchmal mehr. Am Strand ist eben einfach alles da was man braucht. Sand, Wasser, Stöcke und Steine. Die Kinder haben eine ganze Stunde konzentriert gespielt, Patric und ich haben im warmen Sand gesessen und hatten Zeit zum Quatschen und am Schluss sind wir Hand in Hand an der Wasserkante entlanggelaufen, denn da keiner Tüten schleppen musste, sondern jeder nur sein eigenes Paar Schuhe, hatten wir beide eine Hand frei – sodass wir gemütlich hinter unserer lachenden und quietschenden Kinderschar herschlendern konnten.
Auf dem Weg „Was-nicht-glücklich-macht-kann-weg“, bin ich schon seit ca. 18 Monaten. Ich habe damit angefangen die überflüssigen Dinge endgültig aus unserem Haus zu schaffen, statt sie immer wieder neu zu sortieren und aufzuräumen. Allein das war schon ein Befreiungsschlag und damit einher ging die Erkenntnis, dass wir unglaublich viel gewinnen, wenn wir den Ballast über Bord werfen.
So ist es mir in den vergangenen Monaten auch gar nicht schwer gefallen unser Reisegepäck immer weiter zu reduzieren, quasi von Haus auf Wohnwagen auf Kofferraum auf eine Hand voll Koffer und Kisten. Neulich habe ich von einer anderen Mutter gehört: „…wie Du das schaffst? Ich komm schon mit einem Kind und den Gepäckbeschränkungen auf Flügen nicht zurecht.“ Ich weiß es nicht, es fehlt uns jedenfalls an nichts. Außer Jette vielleicht: neue Bücher! Deutschsprachige Kinderbücher sind auf den Inseln einfach nicht zu kriegen und auch Amazon hat ewig lange Lieferzeiten hierher. Platz für ein bisschen Luxus (die Bettwäsche) bleibt dabei trotzdem.
Und nun die peinliche Wahrheit: Was wir so dabei haben? Das meiste, was wir durch die Gegend schleppen, sind Bücher: Schulbücher, Sachbücher, Kinderromane und zwei Kindle. Trotzdem hat Jette inzwischen quasi alles gelesen, was wir mithaben. Sodass sie nun dazu übergegangen ist Finjas Biologie Schulbuch zu lesen – abends, im Bett, zur Entspannung. Armes Kind! Also Bücher und Schulsachen füllen gut zwei Bananenkisten. Zwei weitere Bananenkisten enthalten etwas Spielzeug für Lisbeth und meine Bettwäsche (Nein, nicht nur den Bettbezug, sondern auch das Inlet und ein dickes Bettlaken) – weil ich Ferienhausbettwäsche super-eklig finde. Und ja ich weiß, das ist ein Spleen. 2 Koffer sind gefüllt mit Klamotten und Kulturtaschen. Außerdem noch zwei Laptops und diverse Ladekabel im Handgepäck. Das war’s! Besonders minimalistisch finde ich das nicht, aber es ist gepackt worden unter der Maxime „Was nicht glücklich macht kann weg.“ Bücher und Lernen macht uns glücklich, mein eigenes Bettzeug dabei haben macht mich glücklich, ein wenig (!) Spielzeug erfreut die Kinderherzen und mit Hose und T-Shirt durch die Stadt gehen macht auf jeden Fall auch glücklicher als ohne ?.
Und das Beste daran wenig Dinge zu haben ist eben, man hat die Hände frei, um sich gegenseitig an die Hand zu nehmen!
Als ich angefangen habe diesen Block zu schreiben, nahm ich mir vor möglichst wenig auf die allgemeine Covid-Situation einzugehen, da ich finde, dass dieses Thema ohnehin nervig omnipräsent ist. In diesem Beitrag werde ich wohl ein bisschen von dieser Maxime abrücken, denn es hat unsere Zeit in Irland in besonderem Maße geprägt.
Wir waren ungefähr 7 Wochen in Irland, von Anfang Februar bis Mitte März. Zusammenfassend würde ich sagen, Irland hat eine beeindruckende Landschaft, aber um eine Aussage über alles andere treffen zu können müssen wir nochmal wiederkommen.
Irland war während der Zeit, die wir dort waren in einem wirklich „harten Lockdown“, mal abgesehen von Lebensmittelgeschäften war beinahe alles andere geschlossen. Ich hätte wirklich gern in einem irischen Pub ein Guinness getrunken, hätte gern auf einem Volksfest irischen Steptanz gesehen oder mir ein paar historische Gebäude bzw. Schlösser angesehen. Aus alledem ist nichts geworden.
Stattdessen waren wir viel in der Natur unterwegs und das hat uns allen sehr gut getan. Wir haben vom Wasser geformte Höhlen gesehen, waren am süd-westlichsten Punkt Irlands und haben dort vergeblich nach Walen Ausschau gehalten, konnten Wasserfälle und Steinkreise bestaunen und die Mädels und Patric sind sogar in den Atlantik gehüpft.
Beeindruckt hat mich vor allem die „Wanderung zum süd-westlichsten Punkt Irlands“, zum einen ob der grandiosen Aussicht, angeblich kann man an dieser Stelle mit etwas Glück vom Festland aus vorbeiziehende Wale sehen, aber auch ohne Wale ist die Aussicht atemberaubend. Und zum anderen ob der kindlichen Energie mit der unsere Mädels einen (gefühlt) kilometerlangen Berg hochlaufen – mehrmals – nur um nochmal herunterlaufen zu können! Ich bin übrigens (7. Monat schwanger) nur mit Müh und Not oben angekommen und auch mein sonst recht sportlicher Ehemann war ordentlich am Schnaufen. Diese Energie mit der Kinder Berge rauf und runter rennen können fasziniert mich immer wieder und da wünsche ich mich so manches Mal in meine eigene Kindheit zurück. Das waren noch Zeiten.
Allerdings mussten wir uns einstellen auf dieses Land. Das Wetter zum Beispiel, es hat fast jeden Tag geregnet, aber es hat auch an vielen Tagen die Sonne geschienen. Es war ein bisschen wie beim Tanzen, man muss einen gemeinsamen Rhythmus finden und dann klappt es prima. Wir haben unsere Tage einfach nach dem Wetter ausgerichtet, war es sonnig und trocken, waren wir draußen, bei Regen haben wir alles andere erledigt.
Auch auf das Ferienhaus mussten wir uns „einstellen“, warmes Wasser im Bad? Ja, gab es. Aber nur wenn man eine Stunde vorher den Kessel eingeschaltet hat. Aus Kostengründen, dann aber alle – schwupp – der Reihe nach fix duschen, sonst hat der Letzte (in der Regel also Papa Patric) nur noch kaltes Wasser. Auch eine Erfahrung!
Durch die Covid-Situation haben wir statt Land und Leute nur „Land“ kennengelernt. Wir hatten annähernd keinen Kontakt mit den Einheimischen (von unseren Vermietern einmal abgesehen – die sind jedoch gebürtige Niederländer – das zählt nicht so ganz). Dadurch ist uns klar geworden, es geht beim Reisen auch um die Menschen. Nicht um sonst heißt es „Land und Leute kennenlernen“, ohne „Leute“ ist die Erfahrung nicht komplett.
Irlands Natur ist in meinen Augen jedoch eine Reise wert, diese Farben und Formen, die Luft und die Einsamkeit ist unvergleichlich!
Irland scheint ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein. Wir haben in den letzten zwei Wochen Ausflüge in die nächst „größeren“ Städte unternommen. An allen Orten (bezogen auf Europa), an denen wir vorher waren, hieß das im Grunde, dass die Städte austauschbar sind. Aldi, DM, H&M etc. findet man gefühlt in jeder größeren Stadt. Erfrischender- aber auch verwirrenderweise ist das hier anders. Besonders hübsch sind schon die vielen bunten Häuser. Man hat ein bisschen das Gefühl vor einem Postkartenmotiv zu stehen. Als mir dann in einem der winzigen Örtchen hier, unabhängig voneinander, verschiedene Leute in grünen Gummistiefeln entgegenkamen, wurde aus meinem Postkartenmotiv eine Kulisse für einen Rosamunde-Pilcher-Film.
In Kenmare und Castletownbere befinden sich auf der „Main“-Street unten kleine Ladengeschäfte mit Kleidung, Elektrowaren, Drogerien. Keine großen Ketten, sondern richtige Einzelhändler! Für mich – als Kind meiner Zeit – ist es geradezu faszinierend, dass es so etwas noch gibt. In den zwei- bis dreistöckigen Häusern sind oben Wohnungen untergebracht und es sieht aus als wohne der Schuster wie selbstverständlich über seinem Ladengeschäft. Es wirkt verdächtig nach Zeitreise.
Hier in Beara scheint die Zeit noch langsamer zu laufen. Es ist wirklich merkwürdig, seit wir hier sind leben wir in Zeitlupe. Dieses Gefühl am Sonntag Nachmittag „Huch, wo ist die Woche hin? Es war doch gerade erst Montag.“, das scheint hier ebenso weit weg wie der nächste H&M.
Die Tücke mit der Zeit ist, dass wenn sie so langsam vergeht, man viel Gelegenheit hat sich mit seinen eigenen Gedanken zu beschäftigen. Seit dem letzten Sonntag ist mein Papa ein Jahr tot, auch wenn es sich noch nicht wie ein Jahr anfühlt, sondern wie gerade eben erst. Soviel wie in den letzten zwei Wochen habe ich im ganzen letzten Jahr nicht darüber nachgedacht und darüber, wie ich damit umgehen will. Ich habe alle Gedanken daran vermieden, so wie der Teufel das Weihwasser und dann: „Huch, ist schon wieder Sonntag? …“. So habe ich wie gesagt, dass ganze letzte Jahr rumgebracht und dann finde ich mich 12 Monaten später an einem Ort wieder, der nicht zulässt, dass ich mich weiter vor mir selbst verstecke, sondern mich dem stellen muss.
Manchmal entwickelt diese Reise eine Eigendynamik, die ich nicht erwartet habe. Das Gefühl zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein ist mir, seit wir unterwegs sind, schon ein paar Mal begegnet. Ich bin sehr gespannt, wohin uns der Weg noch führen wird. Und wie lange noch? Ich habe keine Ahnung. Klar ist nur, keiner von uns ist des Reisens müde!
Seit einer Woche sind wir auf der Insel, beziehungsweise auf der Halbinsel Kilcatherine, aufgrund der hier herrschenden Richtlinien befinden wir uns in Quarantäne und dürfen nirgendwo hinfahren. Wir sind an einem Ort, an dem man nicht mal den Pizzadienst rufen kann, der nächste kleine Laden gute 20 km entfernt liegt und der nächste größere Supermarkt ist im rund 40 Minuten (eine Strecke!) entfernten Kenmare.
Quarantäne? Kein Problem! Wo sollen wir auch hin. Allerdings sind wir viel zu Fuß unterwegs, genau genommen sind wir in dieser Woche nicht weiter gekommen als unsere Füße uns getragen haben und es sieht nicht so aus, als ob sich das in der kommenden Woche ändern würde.
Erstaunlicherweise war es trotzdem in keiner Weise langweilig, wir haben nur andere Dinge erlebt. Zum Beispiel sind wir durch Zufall Zeugen einer Geburt von zwei kleinen Lämmern geworden. Der Schäfer half den beiden gerade auf die Welt als wir vorbeikamen, die Kinder und ich muss zugeben ich selbst auch, waren beeindruckt. Die kleinen Lämmer waren aber auch zu niedlich, seitdem waren wir jeden Tag dort und haben nachgesehen, ob die 2 und ihre Mutter wohlauf sind.
An einem anderen Tag war unser Spaziergang von einem Regenbogen nach dem anderen begleitet, ich habe in meinem ganzen Leben noch nicht so viele Regenbögen gesehen.
In unserem Wohnzimmer steht ein Teleskop, mit dem wir tatsächlich eine Kolonie Robben beobachten können, die sich auf einigen vorgelagerten Felsen sonnen.
Die drei Großen klettern die Felsen hoch und runter, das sorgt für meine tägliche Portion Spannung und Adrenalin. Mich hätte als Kind auch nichts davon abgehalten dort rauf zu klettern, aber unten stehend bringt es mein Herz-Kreislauf-System in Schwung: es ist schon merkwürdig wie sich die Sicht im Laufe des Lebens ändert. Ganz selbstkritisch betrachtet sind die drei im Gegensatz zu mir vor ca. 25 Jahren kleine Angsthasen und machen Dinge lieber nicht, wenn sie sich nicht ganz sicher sind. Ich hätte es dann erst recht ausprobiert. (Mama, ich weiß nicht, wie du das ausgehalten hast?!)
Jedenfalls „erforschen“ die Drei auf ihren Streifzügen abseits der Straße Wasserfälle und Ruinen und dank Enid Bylton‘s „Fünf Freunde“ und der Fantasie kleiner und großer Mädchen erleben sie dabei ihre ganz persönlichen Abenteuer.
Es ist erstaunlich wie entschleunigt und gleichzeitig erlebnisreich und intensiv etwas sein kann. Wenn ich an meine eigene Kindheit zurückdenke, erinnere ich mich, dass ich ganze Sommer so verbracht habe. Ich habe viele kleine Dinge gesehen und erlebt, die ich auch heute noch detailgenau vor Augen habe. Bekommen Erinnerungen durch die Langsamkeit, in der sie passieren ihre Tiefe? Vielleicht. Für mich ist es jedenfalls ein Erinnerungsschatz und ich wünsche mir sehr, dass meine Mädchen aus dieser Zeit hier in Irland einen solchen Erinnerungsschatz mitnehmen. Letztendlich ist die Idee „to make memories“ der größte Treiber für diese Reisen gewesen.
Seit Jahrhunderten und länger ist Irland ein mystisches und magisches Fleckchen Land und mit etwas Glück können wir ein klein wenig Magie von diesem Zipfel der Welt mitnehmen.
Es war ein eine lange Pause oder wie das Känguru (von M.U. Kling) sagen würde „Hello again!“. Tatsächlich waren wir jetzt etwas ungeplant fast 7 Wochen, nämlich seit Mitte Dezember zuhause in Bissendorf. Seitdem hat sich einiges getan und unsere Abfahrt hat sich ungewollt bis Ende Januar verzögert. Auch hatte ich vor, von zuhause aus den ein oder anderen Beitrag zu schreiben. Daraus ist nichts geworden. Komisch, ich weiß auch gar nicht warum. Scherzhaft habe ich in den letzten Tagen etwas theatralisch behauptet ich hätte eine Schreibblockade, in Wirklichkeit hatte mich der Alltag zuhause so schnell wieder fest im Griff, dass ich mir den Luxus mir Zeit zum Schreiben zu nehmen, einfach nicht genommen haben. Schade, denn ich tue das wirklich gern.
Jetzt sitze ich in Irland, die Kinder schlafen, wir sind vor dem Abendessen ausgiebig spazieren gegangen und endlich gönne ich mir den Luxus wieder etwas zu schreiben. Es gibt tatsächlich eine Menge zu erzählen.
Wie wir hergekommen sind zum Beispiel. Ende Dezember haben wir dieses Ferienhaus in Süd-West Irland und eine Fährüberfahrt gebucht. Ende Dezember war Irland in Sachen Corona auch der Musterschüler der EU, leider änderte sich das kurz nach Weihnachten. Was bedeutet, dass wir nur mit negativem PCR-Test einreisen durften. Gut, ein weiterer Stop auf unserer Reiseroute. So ging es los am Donnerstagmorgen um sieben, von Bissendorf nach Düsseldorf zum Corona-Test „Zentrum“. Wer sich darunter jetzt etwas Modernes high-tech-mäßiges vorstellt, wird enttäuscht sein, ich war es jedenfalls. Es handelte sich dabei um einen Container mit zwei Fenstern auf dem Hof eines Baustoffhändlers. So standen wir also am Donnerstag um halb zehn im strömenden Regen auf dem Hof eines Düsseldorfer Baustoffhändlers. Zum Glück war das Ganze dann aber sehr schnell und unkompliziert abgefrühstückt, sodass wir weiter nach Frankreich fahren konnten. Wir haben kurz hinter der belgisch-französischen Grenze eine Ferienwohnung für den Zwischenstopp für eine Nacht gemietet.
Unsere Kinder sind wirklich unkompliziert was lange Fahrten angeht und ich bin immer wieder erstaunt, dass sie fünf Stunden Autofahren ohne quengeln und größere Pause einfach so mitmachen. In diesem Fall sogar zwei bzw. drei Tage am Stück. Erst von Bissendorf nach Croix in Frankreich und am nächsten Tag von dort nach Cherbourg zur Fähre.
Tja und dann kam der harte Teil, von Cherbourg nach Rosslare in Irland. Wir sind schon ein paar Mal mit der Fähre gefahren: Kristiansand – Hirtshals, Dünkirchen – Dover und auch schon übernacht von Newcastle nach Amsterdam. Unsere Erfahrungen bisher waren durchweg positiv und das, obwohl ich eigentlich seekrank werde sobald ich mit dem Tretboot auf den Dümmer fahre. Auf Fähren war das bisher zum Glück kein Problem.
Was wir nicht bedacht hatten, es ist Winter und entsprechend stürmisch und von Frankreich nach Irland führt die Route über den Atlantik. Das es ein Fehler war wurde mir klar, als kurz nach der Abfahrt ein irischer Seebär von Kapitän mir erklärte, dass die Fahrt aufgrund des Wetters 3 Stunden länger dauert als geplant und dass ich die Hochbetten der Kinder zusätzlich mit der quergelegten Leiter zwischen Matratze und Rahmen sichern soll und mit einem breiten Grinsen etwas von „fun“, „sailing“ und Herausforderung sagt. Was kann ich sagen? Er hat nicht übertrieben, etwa eine halbe Stunde später ging es los und es dauerte 19 Stunden lang, es war wie 19 Stunden lang Achterbahn fahren. Positiv anzumerken ist, dass unsere Kinder absolut seefest sind. Leider hatten sie deshalb auch kaum Verständnis für die zwei ächzenden Fleischwürste auf den Kabinenbetten, die ihre Eltern darstellten. An dieser Stelle nochmal einen Dank an Patric, der letzte Kräfte mobilisiert hat und mit den Kindern sogar essen gegangen ist. Wäre ich allein gewesen, die Armen hätten hungern müssen. Das hätte ich nicht geschafft!
In Irland angekommen, drei Stunden später als geplant, hatten wir nochmal gute vier Stunden Fahrt in das County Cork vor uns, bis wir im Niemandsland südlich-westlich von Kenmare endlich unser Ferienhaus erreichten. Fester Boden, schaukelfreie Betten – ein Segen!
Auf Reisen lernt man ja oft auch einiges, manchmal über fremde Länder, Sehenswürdigkeiten oder andere Kulturen, meiner Erfahrung nach aber am meisten über sich selbst.
Was ich bei dieser Reise gelernt habe:
Wir sollten uns wirklich mehr mit dem Wetter beschäftigen, das Atlantik im Winter nicht das Gleiche ist wie Ärmelkanal im Sommer hätte man ahnen können. Wobei ich ehrlicher Weise sagen muss, dass ich während der Überfahrt der festen Überzeugung war, dass es grob fahrlässig von der Fährgesellschaft ist diese Fährverbindung nicht deutlich als „gefährlich“ zu kennzeichnen. So in der Art wie es auf Zigarettenpackungen der Fall ist. ?
Wenn ich Kolumbus gewesen wäre, wäre Trump dieser Tage kein Thema gewesen, bis dahin wäre ich nämlich auf gar keinen Fall gekommen.
Reisen ist „unser Ding“, das wissen wir schon länger, aber wenn es so unglücklich läuft und am Ende trotzdem Alles in Allem alles gut gelaufen ist und auch die Kinder nach drei Tagen im Auto und einer unendlich langen Überfahrt gut zufrieden ankommen – dann ist das wahrscheinlich schon das Richtige.
Ein Eingeständnis noch an alle, die uns immer gesagt haben „ihr könnt die Kinder doch nicht ohne Fernsehen groß werden lassen“. Für alle die es nicht wissen, ein Outing: unsere Kinder schauen kein Fernsehen. Es gibt wenige Ausnahmen: selten mal bei Oma oder Opa, Bildungsfilme in der Schule bzw. jetzt eben auch zuhause und Finja hat drei Romanverfilmungen aus den 50ziger Jahren gesehen, von Büchern die sie zuvor gelesen hatte. Jedenfalls hatte ich auf der Fähre den ersten Augenblick in 11 Jahren Mutterschaft in denen ich das bereut habe. Nachdem wir die Kinder die partout nicht wollten, bezirzt hatten sich das Kinderkino doch bitte, bitte wenigstens mal anzusehen, nur dieses eine Mal… musste die Unternehmung nach nicht mal 20 Minuten abgebrochen werden, weil der Zeichentrickfilm über Feen „viiiiiiel zu gruselig“ war. Meine Damen halten diese Form des Zeitvertreibs für absolut unangemessen – ja das hab ich jetzt davon! Seekrank – hin oder her.
Zwei Fragen könnten sich dem geneigten Leser noch stellen. Erstens: Wieso wir bei der Überfahrt nicht an Deck gegangen sind, da ist es bekanntlich besser mit der Übelkeit. Leider war das Deck aber gesperrt, weil aufgrund des Seeganges die Gefahr bestand herunter gespült zu werden.
Und Zweitens: Warum ich keine Tablette gegen Reiseübelkeit genommen habe, wo mir doch klar war, dass es so kommen konnte. Das hätte mein „Bauchbewohner/in“ nicht gut vertragen, wir bekommen nämlich im Juni noch einmal Nachwuchs.
Ich freue mich schon darauf, demnächst mehr von Irland zu schreiben. Mein Erster Eindruck ist, es ist ein Land genau nach meinem Geschmack – irgendwie rau und unbeugsam.
Aus verschiedenen Gründen sind wir jetzt auf dem Rückweg, um über die Feiertage zuhause zu sein. Als wir im Oktober aufgebrochen sind, war aus Corona-Sicht zwar der Zeigefinger erhoben, aber wir hatten eigentlich keinerlei Probleme. Es war zwar ein Hauch von einem abenteuerlichen Gefühl zu spüren, wenn wir nachts im Nebel über die Grenze fuhren und erwarteten angehalten zu werden um irgendeinem Grenzbeamten zu erklären was wir vorhaben – es war aber kein Grenzbeamter da und wir haben auch sonst keinerlei Einschränkungen bemerkt.
Jetzt auf dem Rückweg sieht das schon anders aus, in Spanien haben wir bei 2 Grad Außentemperatur nachts auf einem LKW-Rastplatz gestanden, weil die örtlichen Behörden beschlossen haben die „Stromzapfstellen“ für Wohnmobile auf den dafür ausgezeichneten Plätzen coronabedingt zu schließen. Als wir gegen Mitternacht auf dem menschenleeren Platz neben den abgeschlossenen Stromkästen standen, kam mir das Ganze doch ein wenig absurd vor. Bitte wem könnten wir an diesem verlassenen Ort denn gefährlich werden – coronatechnisch gesehen und sonst eigentlich auch? Es war eine Szenerie bei der man erwartet, dass gleich wie in einem alten Western eine Kugel Steppengras durchs Bild rollt.
10 Minuten später standen wir dann eingepfercht zwischen zwei 40-Tonnen Brummis auf einem LKW- Rast Platz. Wenigstens sind wir nicht allein hab ich gedacht, während mein Stammhirn beschloss das nicht ganz so weit entfernte monotone Brummen zu ignorieren und sich der Frage nach der Ursache nicht weiter zu widmen. Also Gasheizung an im Wohnwagen, je zwei Kinder pro Bett – dann ist es wärmer – so wird’s die eine Nacht wohl gehen. Nachdem ich mich selbst dann auch zwischen meine 2 Grad kalten Daunen gemummelt hatte, beantwortete sich die nicht gestellte Frage nach dem Brummen von ganz alleine: Auch den freundlichen Brummifahrern wird bei 2 Grad kalt in ihrer Fahrerkabine, nur haben die keine Gasheizung wie wir, sondern die schmeißen einfach für ein Viertelstündchen den Motor an. Der Kollege neben uns hatte wohl gerade kalte Füße bekommen. Das gute Gefühl zu wissen das man nicht alleine ist?!
Am Morgen danach höre ich wie Evje zu Jette sagt „warum hast du mich eigentlich die ganze Nacht im Arm gehalten?“. Soviel schwesterliche Nähe ist sie gar nicht gewohnt. Ich beobachte schon seit ein paar Wochen, dass die Beziehungen unter den Kindern enger werden. Meiner Ansicht nach haben die vier vorher schon eine enge Bindung gehabt, aber die Reise, und ich glaube hauptsächlich die damit verbundene mentale Freiheit, tut ihnen sichtlich gut. Nachvollziehbar ist es bei näherem Hinsehen auf jeden Fall.
Die Große hat zu Schulzeiten morgens um zehn vor sieben das Haus verlassen – Bus fahren, Klassenkameraden, Lernen, Lehrerlaunen und alles was sonst so zum Schulalltag gehört und nochmal 50 Minuten Busfahren. Wenn Sie dann um 14 Uhr mit rauchendem Kopf, abgekämpft und mit Schmacht bis unter beide Arme nach Haus kam, ging ihr manchmal auch die überschwängliche Wiedersehensfreunde der kleinen Schwester auf den Nerv. Ich kann das absolut verstehen! Nur ist dann der Schultag noch nicht vorbei, schnell etwas essen und dann (wenn‘s gut läuft) noch eine Stunde Hausaufgaben. Sodass der Schultag einer 6.Klässlerin erst um 15.30 Uhr endet. Da bleiben bis zum Abendessen nur 2,5 Stunden für alles, was kleine Mädchen an einem Tag so machen wollen und emotionale Kapazitäten für Konfliktbewältigung sind, sagen wir mal, nur noch begrenzt vorhanden. Für die Grundschüler, die ja wenigstens einen gemeinsamen Schulwegweg haben, gilt das natürlich weniger. Aber auch die sind nach einem Schultag, insbesondere wenn es Streitereien in der Klasse gab (an denen sie in der Regel nicht beteiligt sind) einfach erstmal platt.
Das klingt vielleicht so als hätten die Mädels sich zuhause nicht gut verstanden oder nur gezankt, so war es ganz und gar nicht. Ich stelle nur deutlich fest, dass es noch besser geht, dass Konstellationen, die sonst schwierig waren, auf einmal gut gehen und dass die Mädels noch mehr aufeinander eingehen.
Die Großen bringen den Kleinen mit Engelsgeduld Skateboard fahren bei, Bücher werden ausgetauscht und akribisch besprochen und selbst beim Lernen unterstützen und motivieren sie sich gegenseitig. Die Zeit und auch die mentale Freiheit sind endlich in ausreichendem Maß vorhanden.
Jedesmal wenn die Kinder in dieser Form in positive Interaktion miteinander treten, geht mir das Herz auf. Das sind meine persönlichen Mama-Glücksmomente, wenn ich mich zurücklehnen kann und den Vieren zusehe wie sie zusammen Spaß haben, sich helfen und es einfach genießen, dass sie sich haben. Das ist einfach das Beste am Mama sein, finde ich.