Der Drahtseilakt

Die letzten Tage dieser Reise sind angebrochen, etwas eher sogar als ursprünglich geplant. So ist das mit der Reiseplanung, wir tüfteln tagelang die strategisch beste Route aus und dann „peng“, reißt zum Beispiel das Drahtseil an unserem Hubbett.

Wir reisen mit einem Dethleffs c‘go UP 525 KR. Er ist einer der größten einachsigen Wohnanhänger, die es aktuell auf dem Markt gibt. Mit sieben Schlafplätzen und zwei Tischen hat er für unsere Zwecke einen fast optimalen Grundriss. Wir haben im Bug ein Etagenbett und eine zum Bett umbaubare kleine Sitzgruppe und im Heck eine zum Doppelbett umbaubare große Sitzgruppe, an der wir alle sitzen können, sowie ein Hubbett über der Sitzgruppe, das wir zum Schlafen einfach herunter ziehen können, jedenfalls wenn die Seilkonstruktion funktioniert.

Jetzt ist das Bett unten und da bleibt es auch, was zur Folge hat, dass wir nur noch einen sehr kleinen Tisch zur Verfügung haben und Patrics und mein gemütliches Doppelbett auch nicht mehr zu benutzen ist. Es ist ein bisschen wie beim Tetris spielen früher am Gameboy, es ist immer weniger Platz zum Drehen da. In Zahlen: ca. ein Viertel der Gesamtfläche ist jetzt nicht mehr nutzbar. Außerdem fehlen zwei Schlafplätze, da müssen jetzt alle noch ein bisschen mehr zusammenrücken.  Zumal wir auch das Vorzelt bei dieser Witterung nur noch als Abstellraum nutzen.

Am Anfang war der Frust groß, zumal es schon das zweite Mal innerhalb des ersten Jahres ist, dass dieses Problem auftritt. Man kann sich wirklich fragen, warum ein namhafter Hersteller wie Dethleffs so eine hakelige Konstruktion verbaut. 

 

Aber darf ich mich überhaupt ärgern? Wir sind doch in einer ziemlichen Luxussituation. Selbst gemessen an westeuropäischen Verhältnissen. Ich habe in den letzten Wochen öfter Dinge gesehen, die solche Ärgernisse in eine andere Perspektive rücken. Menschen, die in Wellblechhütten leben in Montenegro, der Obdachlose in Albanien (der vermutlich nicht zur nächsten Wärmeküche gehen kann, wenn er am Tag nicht genug Geld für Essen erbettelt hat) oder die vielen Flüchtlinge in den Camps in Griechenland. Diese Dinge wissen wir alle und deshalb klingt es auch so abgedroschen, sie heranzuziehen. Aber ich kann für mich sagen, dass es einen Unterschied macht ein Flüchtlingscamp in natura gesehen zu haben. Die Tragweite bekommt quasi eine andere Weite. Ich war fassungslos und habe mich geschämt Europäer zu sein, ich habe auch keine Lösung für dieses Problem und es irritiert mich, dass auch sonst niemand eine hat.

Auch wenn ich den Kreis nicht so weit ziehe, ist die Tatsache, dass wir mit der ganzen Familie eine solche Reise unternehmen können ein ziemliches Privileg. Es müssen viele Faktoren stimmen, um das zu realisieren und dafür, dass wir das tun können sind wir sehr dankbar.

Diese Gedanken kamen mir, als ich mich mit meinem Frust und einer heißen Schokolade mit Sahne, die mag mein Frust nämlich besonders gern, gerade in der super ausgestatteten Spielzone auf der Liege im, an den Campingplatz angeschlossenen, Wellness-Ressort niedergelassen hatte.

 

 

Gedanklich bin ich dann aufgestanden habe meinen maulig schauenden Frust streng angeguckt und laut gesagt: „Alter, runter von meiner Liege. Ich chill hier jetzt erst ein bisschen und guck meinen Kindern beim Spielen zu. Wenn mein Mann heute Mittag Feierabend hat, gehen wir alle unten im Thermalbecken plantschen und wenn wir in ein paar Tagen zuhause sind, bringen wir den Hänger zur Garantiereparatur. Und gib‘ die heiße Schokolade her, die trink ich ganz alleine!“

Der Frust ist frustig abgezogen, ich habe die heiße Schokolade getrunken und es geschafft mir einzureden, dass mein Teenie denkt das ich cool bin, weil ich manchmal „Alter“ sage 😉. (Das nur am Rande.)

Wir genießen noch ein paar Tage diesen Luxus, sehen uns Ungarn an und treten dann den Rückweg an. Wir sind dankbar für diese Reise und vieles mehr!

 

Grüße aus dem Waschsalon

Heute schreibe ich nicht mit dem Blick auf den Golf von Korinth oder in der Sonne sitzend am Strand, heute sitze ich in einem ungarischen Waschsalon, denn Wäsche waschen muss auch mal sein. Viele Dinge sind unterwegs einfacher, manche Dinge bekommen aber auch eine neue Dimension, Wäsche waschen zum Beispiel.  Die dritte Dimension ist unterwegs übrigens das „wo?“.

„Wäsche waschen“ ist in diesem Fall ein schönes Beispiel dafür, dass Dinge nicht schöner sind, nur weil sie leichter sind. Oft hat man hinterher ein besseres Gefühl, wenn das was man getan hat, auch ein bisschen schwierig war. Nicht zu schwierig, sondern so, dass man es gerade schaffen konnte.

Gestern sind wir in Bulgarien gestartet. So wie wir in den letzten Wochen schon oft gestartet sind. Aber gestern lief es trotz aller Übung nicht so gut. Das Gelände, auf dem wir standen, war sehr uneben und deshalb war die Deichsel des Hängers viel tiefer als die Anhängerkupplung des Autos. Beim Versuch den Hänger von Hand auf die Kupplung zu heben ist Patric die Deichsel des Hängers auf den Fuß gefallen. Autsch! Zum Glück war der Schreck größer als der Schaden. Patric ist mit einem dicken blauen Fleck davongekommen, es hätte aber leicht auch ein gebrochener Fuß dabei herauskommen können. Mit Hilfe des Platzbetreibers, Wagenheber und einer pfiffigen Idee konnten wir die Situation lösen und sind mit kleiner Verspätung gestartet, nur um eine halbe Stunde später auf das Ende des Staus vor der Grenze zuzufahren.

 

Die LKWs stehen dieser Tage vor der rumänischen Grenze in einem 15km langen Stau, aber auch als Privatperson haben wir dreieinhalb Stunden vorm Grenzposten gewartet, sodass es schon früher Nachmittag war, als wir endlich ernsthaft Fahrt aufnehmen hätten können. Wenn dann nicht das böse Hunger-Monster um die Ecke geschaut hätte. Also… nochmal anhalten, die Mannschaft füttern, aber danach ging es wirklich los und es stellte sich dieses Hochgefühl ein, das man bekommt, wenn man etwas geschafft hat. Nur hatten wir in Wirklichkeit erst 30 der insgesamt 500 Kilometer gefahren, weshalb das Gefühl genau genommen jeder Grundlage entbehrte.

Ähnlich ist es auch im Waschsalon, gleich piepen die Trockner und ich kann die saubere Wäsche für die ganze nächste Woche herausnehmen und falten. Wenn das erledigt ist, werde ich das Gefühl haben, heute schon richtig etwas geschafft zu haben. Zuhause stellt sich dieses Gefühl beim Waschen nur selten ein, es ist mehr ein stetiger Kampf gegen das Wäschemonster unter der Devise „A Laundry a Day keeps the Laundry-Monster away!. Der Kampf läuft einfach so parallel zum „Tagesgeschäft“.

Soweit zu gehen deshalb meine Waschmaschine abzuschaffen würde ich nicht, aber es ist doch eine schöne Erinnerung daran, dass es befriedigend sein kann nicht immer nach dem leichtesten oder bequemsten Weg zu suchen, denn größere Anstrengungen werden oft mit einem besseren Gefühl belohnt.

Ein netter Nebeneffekt im Waschsalon ist, hier ist es wirklich nett. Es riecht lecker nach gewaschener Wäsche, das Sofa ist bequem, es schreibt sich hier ganz hervorragend (nebenbei frage ich mich: wie viele Bücher wohl in Waschsalons geschrieben wurden?) und ich habe eine kleine Auszeit, weil die Kinder lieber mit Patric auf den Spielplatz gehen wollten. Vielleicht gehe ich zuhause doch gelegentlich mal im Waschsalon waschen?

Ein kleiner Nachtrag noch: zum Wäschefalten hatte ich dann doch einige Helfer, draußen ist es unattraktiv kalt 😉.

 

Ein Plädoyer für Gewohnheiten, Schreibschrift und Geschenkschleifen

Unsere Reiseroute hat uns am Wochenende fast 600 km weiter nach Nordwesten geleitet. Wir sind sozusagen auf dem Rückweg, dazu passend sind die Temperaturen gleich mal um 20 Grad gefallen, das Eichenlaub liegt rostrot auf den Straßen und abends um viertel vor sechs ist es stockfinster. Klingt fast wie Norddeutschland, ist aber noch Bulgarien. Kurz vor der Grenze zu Rumänien werden wir ein paar Tage bleiben, um dann am kommenden Wochenende in einem Stück durch Rumänien durchzufahren. Aufgrund der Test- und Quarantänebestimmungen lohnt sich Rumänien für uns als Reiseziel diesmal nicht, sodass unsere nächste Station Ungarn sein wird. Ich bedauere das ein wenig, denn ich bin von Bulgarien als Reiseland sehr positiv überrascht und hätte auch in Rumänien gern einige Reiseerfahrungen gesammelt.

Als Reiselektüre hatte ich mir „die 1%-Methode“ von James Clear als Hörbuch mitgenommen. In der verworrenen Annahme ich könnte auf dem Beifahrersitz sitzen und in Ruhe meinem eigenen Hörbuch lauschen. Ich hatte das Achtung-Tagtraum-Schild übersehen. Merkwürdigerweise hat sich dieses Buch (welches ich übrigens ausdrücklich NICHT besonders empfehle) als Familienlektüre während langer Fahrten bewährt. Allerdings ist es nicht ganz so entspannend, das Buch mit der ganzen Familie zu hören. Denn ständig ruft jemand „Stop“ und dann müssen Teilabschnitte ausdiskutiert und gedeutet werden. Diese Form des „Lesens“ konnte ich schon im Deutschunterricht nicht leiden. Sei’s drum, ein spannendes „Projekt“ dieses Buch mit der ganzen Familie zu hören ist es allemal. James Clear erklärt, wie wichtig die kleinen Gewohnheiten sind und das sich damit quasi die Welt verändern lässt.

Dazu habe ich ein kleines aber enorm weitreichendes Beispiel aus unserem Schulalltag. Seit diesem Schuljahr haben wir es uns zur Gewohnheit gemacht, unseren Schultag mit einem kurzen Schreibschrifttraining zu beginnen. Das hat folgenden Hintergrund: Im letzten Schuljahr habe ich festgestellt, dass Finja sich schwer tut längere Texte zu schreiben. Gezielt habe ich versucht, das mit ihr zu erarbeiten, aber wir schienen in einer Sackgasse zu stecken, nichts lief – alles klemmte. Nach einer halben Seite geschriebenen Textes klagte sie über Hand- und Nackenschmerzen, das Schriftbild war gelinde gesagt grauenhaft, die Buchstaben schienen über das Blatt zu hüpfen, die Schreiblinie berührten sie bestenfalls zufällig, oft passte das Verhältnis der Oberlängen der Buchstaben nicht zum Rest des Wortes, von Orthographie war keine Rede und auch Grammatik, Satz- und Textbau wurden willkürlicher je länger der Text wurde.

Die Frage „was läuft da schief?“ hat mich mehrere Monate beschäftigt, bis ich durch Zufall auf die Internetseite von M.A. Schulze-Brüning gestoßen bin. Bei der Lektüre ihrer Seite kam plötzlich Licht ins Dunkel und ein Aha-Moment folgte dem Nächsten. (https://www.handschrift-schreibschrift.de)

Es scheint nämlich so zu sein, dass dieses „Schriftbild“ in den Schulen gar keine Seltenheit darstellt. Es ist sogar so wenig eine Seltenheit, dass Frau Schulze-Brüning ein Buch (Wer nicht schreibt bleibt dumm) zu dem Thema geschrieben hat und seit Jahren dazu forscht. Die Quintessenz des Buches ist ungefähr so: dadurch, dass die Kinder in den Schulen überwiegend keine verbundenen Schreibschriften mehr lernen (die Grundschrift ist nämlich trotz der Bindebögen keine Schreibschrift! – und die vereinfachte Ausgangsschrift funktioniert auch nicht) und zusätzlich weniger Zeit zum und Anleitung beim Üben haben, entstehen diese ungelenken und hinderlichen Schriften.

Letztendlich beschreibt sie in ihrem Buch genau das, was ich beobachte. Bis zum Ende der Grundschulzeit geht es mehr oder weniger gut mit der Schrift und ab der 5ten Klasse wird eine höhere Schreibgeschwindigkeit und inhaltlich mehr Substanzielles erwartet. Für einen Teil der Schüler (in dem oben genannten Buch habe ich gelesen, dass betrifft 31% der Mädchen und 51% der Jungen) ist es dann, als ob sie mit einem Trabbi zur Formel 1 antreten. Was schade ist, denn die Schrift soll eigentlich ein nützliches Handwerkszeug und keine Belastung sein.

Bei dem, was ich gelesen habe, bin ich ehrlich gesagt erstaunt, dass nicht mehr Schüler aufschreien. Da grenzt ein zweiseitiger Aufsatz an ein Martyrium. Das muss man sich als schnell schreibender Erwachsener mal überlegen, da hocken die Kinder eine Stunde oder länger über dem Papier, Hand und Nacken tun weh, es sieht richtig doof aus, ist furchtbar anstrengend und man weiß schon, dass jeder der es lesen soll ob der äußeren Form die Nase rümpft, bevor er sich dem Inhalt gewidmet hat. Und den Hauch einer Ahnung wie man es besser machen könnte hat man auch nicht. Ehrlich gesagt … ich würde gar nicht erst anfangen! Im Übrigen leidet natürlich auch der Inhalt wenn das Schreiben selbst eine Belastung darstellt. Mit einer stumpfen Schere macht man auch keinen glatten Schnitt.

Zurück zu unserer Gewohnheit. Seit Beginn des Schuljahres starten wir unseren Schultag also mit Frau Schulze-Brünings Schreibschrift-Training, vorausschauend natürlich alle drei Schüler. Wie sie in ihrem Buch voraussagt, lieben die Kinder es an ihrer Schrift zu arbeiten und sich nur auf das Schreiben und nicht auf Inhalte zu konzentrieren. Das hätte ich nicht erwartet, alle drei sind mit Feuereifer bei der Sache und die Erfolge sind beeindruckend. „Schneller, besser, lieber“ fasst es wohl am besten zusammen. Es ist so einfach, wir sitzen jeden Morgen fünf bis zehn Minuten zusammen, ich trinke meinen Kaffee, die Mädels bearbeiten eine Seite in ihrem Arbeitsheft und alle haben ihre Gedanken gesammelt und sind anschließend im Schulmodus. Es ist zu einem festen Ritual geworden, das wir sehr lieben.

Laut James Clear sind es solche festen Gewohnheiten, die uns die größten Erfolge erzielen lassen und uns den Freiraum für Interessantes und Kreatives schaffen. Er hat recht behalten, ich hätte nicht erwartet, dass aus dieser kleinen Gewohnheit so viel Gutes entsteht. Denn eine hübsche und flüssige Handschrift und Freude am Schreiben sind schon ein besonderes Geschenk und jeder Morgen der mit diesen ruhigen, fast meditativen Minuten startet ist eine besonders schöne Geschenkschleife.

In diesem Sinne schreiben wir nun unsere Namen in den Sand – in Schreibschrift!

Buchstabensalat und Kaffeeautomaten und wie mich das alles verwundert

Inzwischen sind wir von Griechenland nach Bulgarien weitergezogen. Von allen Ländern, die wir bereist haben, hatte ich das erste Mal das Gefühl weit weg von zuhause zu sein. Vermutlich macht ein Teil schlicht und einfach die Schrift aus, denn man kann nichts lesen – keine Straßenschilder, keine Inhaltsangaben auf den Lebensmitteln, nicht mal die Bedienungshinweise für die Waschmaschine. Weder das griechische Alphabet noch die kyrillischen Buchstaben der Bulgaren lassen erahnen um welches Wort es sich handeln könnte. Verwundert bin ich dann doch, wie gut wir trotzdem zurechtgekommen sind. Irgendwie geht es halt immer.

Und während in Griechenland in den Lebensmittelläden überwiegend griechische Produkte verkauft werden, macht es uns Bulgarien, wie so viele andere Länder, leicht. Da werden auf die deutschen Haferflocken und Kaiserbrötchen einfach Sticker mit der landessprachlichen Inhaltsangabe aufgeklebt. Sogar ein zünftiges Paulaner Hefeweizen kann man hier kaufen. Merkwürdig, oder?

An dieser Stelle will ich dann mal outen, dass wir keine kulinarische Reise machen. Ich bin der Überzeugung, dass man sich seine Schlachten wählen muss. Die landestypischen Gerichte der Reiseländer lernen wir nur selten kennen.  Nicht weil ich das nicht spannend fänden, sondern weil es sich für uns einfach als unpraktikabel und anstrengend herausgestellt hat. Kochen für eine Mannschaft aus Vegetariern, Glutenfreien, Milchproduktverabscheuern und Zuckergegnern ist ohne hin schon ein Spießroutenlauf. Im Rahmen der Vereinfachung gibt es seit ein paar Wochen etwas mehr als eine Handvoll schneller Rezepte mit einfachen Zutaten, die sich gut besorgen und gut lagern lassen. Und als Ziel zum Thema „Essen machen“ gilt die Parole: Alle am Leben halten! Und ich sag mal so, seitdem ist auch das Thema „Essen machen“ entspannt. Wie gesagt, man muss seine Schlachten wählen. Ich wähle: auf „Öööh, schon wieder Nudeln! Kann es nicht mal wieder Quiche geben?“ mit „streng gucken“ zu reagieren.

So war ich also sehr froh, als ich heute in Bulgarien in den KAUFLAND gehen konnte und ganz einfach glutenfreies Mehrkornbrot von Schär, Gewürzgürkchen und Haferflocken einkaufen konnte, ohne an den Buchstaben herumzurätseln. Aber verwundert hat es mich schon.

Eine Kleinigkeit macht mich in Bulgarien noch stutzig: an allen Ecken stehen Kaffeeautomaten. Solche wie man sie in Kantinen oder Schulen hat, die, bei denen der Kaffee fies schmeckt, wenn der Käufer vor einem die Hühnerbrühe daraus getrunken hat. Und wer kennt es nicht? Man sieht den Automaten- ahnt schon, dass man es nicht tun sollte – tut es trotzdem – man schmeißt 1,50€ in den Schlitz – der Kaffee kommt – und dann: „Urgh!“ – einer der Automaten, die seit mindestens 3 Dekaden nicht sauber gemacht wurde. Jedenfalls sieht man hier in den kleinsten Örtchen diese Automaten an den unglaublichsten Stellen. Ich frage mich nur: Wer macht die eigentlich sauber? Merkwürdig…!

 

Rückblick auf ein Jahr „Homeschooling“

Aktuell sind wir in Griechenland und ich sitze hier und schreibe bei angenehmen 22°C mit Blick auf den Golf von Korinth. Nach dem Regen und den etwas anderen Lebensverhältnissen in Albanien waren die letzten 10 Tage bei tollem Wetter fast ein bisschen wie Urlaub. Wir haben die Berge von Meteora gesehen und die Ausgrabungsstätte am Orakel von Delphi besucht. Jede Etappe unserer Reise scheint etwas anderes für uns bereit zu halten, diesmal waren es Menschen, denen wir uns verbunden fühlen. Natürlich trifft man auf Reisen viele und immer wieder neue Menschen und das macht auch ein Teil des Reizes aus. Häufig bleiben Kontakte aber auf den Ort beschränkt, an dem man zusammen war und nur selten werden Telefonnummer oder E-Mail-Adressen ausgetauscht.

In Meteora hatten wir das Glück, Gleichgesinnte im Geiste zu treffen. Denn es tut einfach gut jemanden zu treffen, der nicht nur sagt „Mensch, find ich toll was ihr da macht“, sondern Menschen, bei denen man das Gefühl hat, da ist jemand, der die Gründe nachvollziehen kann.  Daraus können sich zum einen sehr nette Gespräche entwickeln und für die Mädels ist es auch schön mal mit jemand anderem etwas zu unternehmen, und sei es nur eine Partie Kniffel. Zum anderen können andere Menschen auch Erfahrungen bieten, die wir Eltern nicht bieten können. So hatte Finja die Möglichkeit mit einem professionellen Sportler zu trainieren. Sie war tagelang ganz voll davon und schwärmt seitdem für Leichtathletik.

 

Mein Fazit ist, Kinder profitieren von Kontakten außerhalb der Familie sehr. Aber muss man dafür in die Schule gehen? Nach einem Jahr „Homeschooling“ denke ich, nein das muss man nicht.

Vor ein paar Tagen hatten wir sozusagen einjähriges „Homeschooljubiläum“. Wobei ich das Wort „Homeschooling“ eigentlich gar nicht mag. Ich finde, dass es nicht besonders gut passt. Das was wir machen ist weder „home“ noch „school“.  Im Grunde ist es nichts weiter als die logische Weiterführung dessen, was ich seit ihrer Geburt mit den Kindern tue. Ich begleite ihren Lernprozess, indem ich „vormache“, den Prozess des Übens begleite, mit ihnen zusammen Neues entdecke und mich an den Lernfortschritten erfreue. Wenn plötzlich etwas klappt, singe ich auch gern mal laut „Mein Gott, mein Gott jetzt hat sie’s“ aus der Operette „My Fair Lady“.

Es ist meiner Erfahrung nach nicht wichtig um welche „Lerninhalte“ es geht. Es ist egal, ob das Kind lernt sich vom Bauch in die Rückenlage zu drehen oder ob es die Sache mit den verflixten Brüchen plötzlich verstanden hat. Das Prinzip ist das Gleiche und meine Rolle auch: ich freu mich diebisch! Lernen ist ein intrinsisch motivierter Prozess, will heißen Lernen macht Spaß und ist außerdem ein natürlicher Prozess, der von ganz allein passiert.

Letztendlich ist es doch so, jeder kennt es, wenn man etwas kann, was man vorher nicht konnte, freut man sich darüber. Wenn man jemanden hat, der sich mit einem freut und die Sache dadurch noch mehr Bedeutung bekommt, noch viel besser. Ob derjenige, das erste Mal einen Marathon gelaufen ist oder zum Schuhe zubinden endlich wieder an die eigenen Füße kommt spielt keine Rolle. Es ist die Freude am eigenen Erfolg die uns Dinge „lernen“ und üben lässt.

Es gibt viele Facetten alternativer Schulformen: Freilerner, Unschooler oder Homeschooler. Ich denke, dass die verschiedenen Prinzipien deshalb oft gut funktionieren, weil Kinder in der Regel aus eigenem Antrieb lernen. Ich denke auch, dass es für einen Teil der Kinder stressfreier ist, dass in „Ruhe“ zu tun. Wenn Kinder in einem sozialen Gefüge wie einem Klassenverband sind, entstehen selbstverständlich viele Spannungs- und Lernfelder, die sie gleichzeitig mit verarbeiten müssen. Das lenkt zum einen vom eigentlichen Thema ab und zum anderen nimmt es dem ein oder anderem auch den Spaß am Lernen. Weil wenig Platz für individuell tiefere Beschäftigung mit dem Thema ist, weil zwischenmenschliche Themen in den Vordergrund treten, weil das System für Stärken und Schwächen nicht durchlässig ist und nicht zuletzt weil ein natürlicher Lernprozess nicht mehr in eine Freude über den Lernfortschritt endet sondern in ein enges Notenkorsett gequetscht wird.

Ich bin lange Zeit dem Irrtum erlegen, dass man Noten vergibt, um die Leistung oder die Motivation zu steigern. Ich kann zumindest für meine Kinder sagen, dass das nicht funktioniert. Sie waren nie motivierter und haben noch nie mehr geleistet (in der Schule zumindest) als jetzt und im Übrigen ist es auch das, was ich an vielen anderen Stellen beobachte. Da treffe ich Kinder, die in manchen Bereichen unglaubliches Wissen haben. Frag die mal nach Automarken, Vulkanen oder Pferderassen. Aber in der Schule scheint nichts hängen zu bleiben. Wie kann das? Sicher gibt es einige Gründe. Einer mag die Sache mit den Noten sein. Auf mich wirkt das System mit den Noten ein bisschen so als würde man bei einem Sprint-Läufer nicht nur die Zeit nach 100m werten, sondern auch einbeziehen, wie gut er beim Lauf ausgesehen hat.

Einen Punkt will ich als Grund aber gern ausgeschlossen wissen: die Themen – sprich die Lerninhalte. Aus zwei Gründen. Erstens: Alle Themen, die in der Schule unterrichtet werden sind spannend. Es stimmt einfach nicht, dass es langweilige Themen gibt. Ich hab‘ jedenfalls in noch keinem Schulbuch eins gesehen. Wer eins findet möge mir bitte Bescheid geben, das schaue ich mir an. Und zweitens und das viel Wichtigere: Lernen ist intrinsisch motiviert, das Thema spielt nur eine untergeordnete Rolle, die Sache als solche macht schon Freude.

Wie gesagt, es gibt Menschen, die sich freuen, wenn sie ihre Zehen wieder berühren können und das ist klasse! Wenn wir also am Tisch sitzen und gegen das „Mathemonster“ kämpfen und sich die beiden „Grundschüler“ mit an den Tisch quetschen und eifrig mitfiebern, bis am Ende das letzte Ergebnis in der fiesen Bruchrechenschlange stimmt und wenn dann alle abklatschen und fröhlich sind, ganz ehrlich – dann kann es doch nicht am Thema gelegen haben. Es macht einfach Spaß das zu können!

Nach einem Jahr ziehe ich also folgende Bilanz, die Kinder profitieren im Allgemeinen vom Kontakt mit anderen Menschen sehr, aber das Lernen von „Schulstoff“ geht ohne „Schule“ leichter.

Innenhalten, Perspektive wechseln und Albanien bereisen

„Wir waren 7 Tage in Albanien.“ Das ist der einzige Satz, den ich über die Zeit in Albanien locker zu Papier bringe.  Alles weitere sind hart erarbeitete Erkenntnisse einer verwöhnten, grün-ökologischen Westeuropäer-Seele und bei allem was ich sehe, bin ich auch immer Teil meiner Wahrnehmung. Gerade deshalb ist es wichtig gelegentlich innezuhalten und die Perspektive zu wechseln.

Für unsere Zeit in Albanien bezieht sich das auf zwei Dinge. Zum einen auf Albanien selbst und zum anderen auch auf unser Zusammenleben auf 6 Quadratmetern.

Wir erreichten Albanien im Dunkeln nachdem wir an der Grenze ein gewisses Durcheinander verursacht hatten, in dessen Verlauf Lisbeth allein in Albanien war, während der Rest der Familie wieder in Montenegro stand. Das hat sie uns recht übel genommen. Jedenfalls hatten wir seit Wochen keine größere Stadt mehr gesehen und waren schwer beeindruckt von dem Lichtermeer und Getümmel, das uns in Shkodra erwartete. Auch der Campingplatz dort, mit angeleuchtetem Pool, war im Dunkeln der Hit, sodass wir mit einem guten ersten Eindruck schlafen gegangen sind.

 

Bei Licht am nächsten Morgen revidierte sich der Eindruck, die Anlage hatte insgesamt einen Pflegestau und auch der Ausflug in die Stadt hat am Morgen nicht gehalten, was der Abend versprochen hat.

Müll! Die Stadt schien in Müll zu ertrinken. Jemand hat wohl vor geraumer Zeit Mülltonnen aufgestellt, aber seitdem vergessen sie zu leeren. Hunde, überall Hunde, tot am Straßenrand oder sich sonnend auf der Mittelinsel des Kreisverkehrs. Sie gehören zum Stadtbild, genau wie die wilde Mischung der Fahrzeuge; da fahren knatternde, selbst zusammengeschusterte Lastenräder neben auf Hochglanz polierten Luxus-SUVs und tiefer gelegten, getunten Mercedesse. Gefahren wird auf der zweispurigen Straße mit mindestens drei Fahrzeugen nebeneinander, überholt werden kann dann trotzdem noch, vorzugsweise rechts. Wie gesagt: verwöhnte Westeuropäer-Seele, der ein oder andere Asiat wird sagen: „Läuft doch voll entspannt!“

Nun bin ich nach 7 Tagen Durchreise kein Albanien-Profi, mir ist bewusst, dass ich nur einen kleinen Teil gesehen habe und meine Eindrücke von meinen eigenen Werten gefärbt sind.

Im ganzen Land sahen wir verwilderte Hunde, magere Schafe und Ziegen, gehütet von Männern mit braunen, wettergegerbten Gesichtern, Menschen, die in Häusern wohnen, die keine Fensterscheiben haben oder in denen ganze Wände fehlen. Genausooft sieht man schicke Villen mit traumhaft angelegten Gärten, allerdings umgeben von hohen, mit Scherben gespickten Mauern, aufwendig verzierte Gotteshäuser und liebevoll gepflegte historische Städte.

Da stehen neue Lagerhallen neben Feldern auf denen Männer den Müll zusammenharken und verbrennen. Übrigens eine Sache, die ich absolut nicht verstehe: wieso liegt überall Müll herum? Wie kommt der dahin und wieso räumt den keiner weg?

Es sind die Gegensätze, die mich am meisten irritiert und angestrengt haben. Aus dem Gefühl heraus die Sache nicht richtig zu verstehen entsteht schnell ein unguter Gesamteindruck, aber das wird dem Ganzen nicht gerecht. Wenn ich mal meine westeuropäischen und ökologischen Werte außen vorlasse, haben wir ein Land bereist, in dem die Gegensätze nebeneinander existieren, scheinbar ohne sich zu beeinflussen. Ganz deutlich wird es daran, dass zwei große Weltreligionen beeindruckend friedlich nebeneinander leben und das schon seit langer Zeit.

Innehalten, Perspektive wechseln und dann sieht man in dem Ganzen Chaos ein zurückhaltendes, friedlich wirkendes Volk. Wir haben nur ausgesprochen nette und hilfsbereite Albaner getroffen, vom bettelnden Obdachlosen, der uns winkend auf den hohen Bordstein aufmerksam machte, der uns sonst mindestens eine kräftige Delle verpasst hätte, bis zum Polizisten, der spontan für uns gedolmetscht hat.

Auch bei uns im Wohnwagen ist innehalten und Perspektive wechseln manchmal nötig gewesen. Hin und wieder kriege ich zu hören „Man, sieben Leute auf so kleinem Raum. Wie geht denn das?“ Normalerweise sage ich dann, dass man ja sowieso die meiste Zeit draußen ist, dass es nicht 6 Quadratmeter sind, sondern quasi die ganze Welt drum herum. Allerdings hat es in Albanien und auch schon die letzten Tage davor viel geregnet, sodass wir tatsächlich viel alle zusammen im Wohnwagen waren. Dann kommt bei aller Familienliebe auch mal schlechte Stimmung auf und alle gehen sich gegenseitig auf die Nerven. Die Kunst ist jedem seinen Lagerkoller zuzugestehen und eben auch die Perspektive zu wechseln, wenn sich mal wieder alle auf den Füßen stehen.

Trotz des regnerischen Wetters haben wir nämlich viele spannende Erfahrungen gemacht.

Wir hatten großes Glück und durften uns einer netten Reisegruppe anschließen und an ihrer Stadtführung mit einem sehr kompetenten Führer teilnehmen. So sind wir nicht nur in den Genuss einer klasse Stadtführung gekommen, sondern haben auch alle zum ersten Mal eine Moschee von innen gesehen. Außerdem haben wir zum ersten Mal in warmen Schwefelquellen gebadet und albanisch gegessen.

Nur allzu leicht erscheint es mir, bleibt man an den störendenden, kleineren und größeren Details hängen und verliert darüber dass Gesamtbild aus dem Auge. Daran denke ich neuerdings immer, wenn im Wohnwagen mein Zeh mal wieder der unterste ist.

Es geht weiter, auch wenn’s mal eng ist

Montenegro hat man schon mal gehört, aber der ein oder andere wird sich fragen, wo liegt das eigentlich. Montenegro liegt an der Adriaküste zwischen Kroatien, Bosnien Herzegowina und Albanien. Ein sehr kleines aber für meinen Geschmack sehr sympathisches Land. Wir haben nur einen kleinen Teil Montenegros gesehen, aber der Name des Landes „Monte“ (also Berg) scheint Programm zu sein. Da haben die Berge nochmal Berge. Was ohne Frage zu beeindruckenden Aussichten führt, aber auch an den Fahrer eines insgesamt 14m langen Gefährts einige Herausforderungen stellt.

 

 

Aber der Reihe nach: das Abenteuer Montenegro begann schon damit, dass wir mehrere Stunden später in Kroatien losgefahren sind als wir eigentlich vor hatten. Nicht optimale Straßenverhältnisse erwartend hatten wir uns vorgenommen, nicht im Dunkeln in Montenegro fahren zu wollen. Was wie sich herausstellte auch eine gute Einschätzung der Lage war. Nun sind wir aber später losgefahren, was zu Folge hatte, dass natürlich – kaum waren wir in der Nähe unseres Ziels – die Dämmerung einsetzte. Das Ziel war das Njegos-Mausoleum auf dem Gipfel Jezerski Vrh im Nationalpark rund um das Lovcen Gebirgsmassiv. Die Straßen waren zunächst auch noch besser als erwartet, aber als es dann den Berg hinauf ging mussten wir abbrechen, bei Licht war es schon eine anspruchsvolle Strecke aber im Dunkeln und ohne Ortskenntnisse ein Himmelfahrtskommando.

Nun war guter Rat teuer, unser angesteuerter Platz war oben auf dem Berg und unten ist nicht gerade eine touristische Gegend, zumal aktuell absolut Nebensaison ist. Die wenigen Campingplätze im erreichbaren Umkreis haben nur Saisonbetrieb. Zu guter letzt erreichten wir einen netten Herrn der neben seinem Campingplatz auch ein Hostel betreibt und uns den Parkplatz davor anbot. Klingt gut? Tja, wäre es auch gewesen für ein Fahrzeug, das nicht unsere Ausmaße hat. Es stellte sich heraus, dass das Hostel mitten in einem Wohngebiet mit kleinen, steilen Straßen steht. Es war ein Albtraum, selbst als erfahrene Fahrer haben wir uns in eine Situation gefahren, aus der es nicht vor und zurück ging, rechts Mauer und links ein 40 cm tiefer Straßengraben und natürlich kommt in diesem Augenblick jemand von hinten. Was im ersten Moment die stressige Situation komplett zu machen schien, erwies sich als erste von mehreren ähnlichen Erfahrungen. Nachdem ich den jungen Männern kurz unser Ziel und das Problem dargestellt hatte, erwiesen sie sich als äußerst hilfsbereit und kompetent und haben uns durch das Nadelöhr durchgelotst und ich spreche hier von weniger als 5 cm Luft an jeder Seite.  Ich sah schon Auto und Hänger mit Achsbruch im Straßengraben liegen, aber es ist gut gegangen!

Und letztendlich sind es diese Erfahrungen, die mir in Montenegro am meisten gefallen haben. Die Hilfsbereitschaft der Menschen scheint zu steigen, je weniger perfekt ihre Umgebung ist.

Auch am Hostel gab es wieder viele unaufgeregt helfende Hände und da der Eigentümer auch 5 Kinder ähnlich alt wie unsere hat, erinnerte der Abend binnen weniger Minuten an einen Kindergeburtstag, und wir haben uns trotz der abenteuerlichen Anreise wohl gefühlt.

 

 

Als wir dann am nächsten Morgen zum Nationalpark heraufgefahren sind, waren wir heilfroh, am Vorabend umgekehrt zu sein. Die Fahrt wäre sonst wohl nicht gut ausgegangen, denn sie war schon bei Tag eine echte Herausforderung.

Leider haben wir Montenegro bei schlechtem Wetter erwischt, sodass wir nach unserem Besuch am Mausoleum direkt nach Albanien weiter gereist sind.

Davon in den nächsten Tagen mehr, Albanien hat mich sehr beeindruckt, diese Eindrücke muss ich allerdings erst noch ordnen.

Unser Eindruck von Montenegro ist jedenfalls, dass es in angenehmen Maße touristisch erschlossen ist, ohne Überlaufen zu sein und wir wollen auf jeden Fall nochmal wiederkommen – nicht zuletzt um das atemberaubende Panorama auf dem Mount Lovcen zu sehen, das wir dieses mal leider verpasst haben, da der Mount Lovcen sich in eine dicke weiße Regenwolke hüllte. So haben wir statt des beeindruckenden Panoramas nur weiße Wolke gesehen.

Gefallen hat es uns trotzdem und mitgenommen haben wir aus Montenegro die Erkenntnis: es geht weiter, auch wenn es eng ist.

 

Geschichte in Kroatien

Wer ist von seinen Kindern schon einmal gefragt worden „Mama, was ist Krieg?“ Ich bin das schon des Öfteren gefragt worden und ich habe nie eine Antwort gefunden, die der Sache gerecht geworden wäre. Unter Umständen kann man das auch gar nicht in Worte fassen? Besonders dann nicht, wenn man selbst nie betroffen war. In Kroatien treffen „junge“ Kriegsvergangenheit und Tourismus auf stellenweise bizarre Art aufeinander. So kam es, dass wir uns in Kroatien einen nicht wieder aufgebauten Kriegsschauplatz angesehen haben. Dieser liegt direkt zwischen den Touristenorten um Dubrovnik.

In Kupar ist ein Teil der damals unter Beschuß geratenen Strandpromenade einfach so belassen und dem natürlichen Verfall überlassen worden. In den Gebäuden sind die Einschusslöcher deutlich zu erkennen, hier und da hat es offensichtlich gebrannt. Das haben wir uns angeschaut und plötzlich entstand bei unseren Kindern (zumindest den 3 Großen) eine betroffene und interessierte Neugier. Wer? Warum? Und wieso können Erwachsene keine bessere Lösung finden? Zumindest die letzte Frage konnte ich wieder nicht gut beantworten, aber die ersten beiden haben wir klären können. Was bleibt ist ein tiefer Eindruck!

 

… und ein paar schöne Erinnerungsfotos von der kroatischen Adriaküste.

 

Plitvicer Seen

Viel zu berichten gibt es diese Woche nicht. Wir haben scheinbar unseren Rhythmus gefunden und es war eine ziemlich ereignislose Woche. Auch das ist mal schön. Wir sind in Kroatien einfach ein bisschen der Sonne hinterher gereist und stehen jetzt bei muckeligen 26 Grad an der adriatischen Küste in der Nähe von Dubrovnik.

Einen erwähnenswerten Ausflug gab es aber doch. Ein Schauspiel der besonderen Art, sozusagen die kroatische Variante des Circus Maximus, auch bekannt als die „Plitvicer Seen“. Wer das jetzt googelt, findet atemberaubende Bilder von Wasserfällen und türkisblauen Seen. Das ist auch so: tolle Wasserfälle und die Farbe des Wassers ist unbeschreiblich schön. Aber viel beeindruckender oder auch erschreckender sind die Mengen an Menschen, die in Bussen heraufgeschafft werden oder sich sonst wie dort einfinden. Mich hat es mehr an eine große Kirmes erinnert. Über die Organisation vor Ort kann man nichts Schlechtes sagen. Hochprofessionell werden da täglich tausende Menschen durchgeschoben. Auf festgelegten Routen die Holzstege entlang bis zur ersten „Fresswiese“ mit Kaffee, Pommes und Klohäuschen, dann alle Mann im 20 Minuten-Takt auf’s Schiff und, zum Startpunkt des nächsten kurzen Rundgangs, übern See geschippert. Ja und an der Stelle sind wir dann „ausgestiegen“. Das ist wirklich nicht das, was wir unter einem Naturschauspiel verstehen, tolle Seen hin oder her. Aber auch für uns hielt der Nationalpark dann doch noch eine „Route“ bereit, abseits der befestigten Holzstege über welche die weniger gut informen* „Bustouris“ geschoben werden.

*(es gab lektorale Diskrepanzen dazu, ob es zu „in Form sein“ ein Adjektiv gibt, und ob dies dann „informen“ wäre. Gemeint ist der typische Bustourist, der nach x Stunden im Bus meist nicht „in Form“ ist mal eben Berge rauf und runter zu wandern.)  

Nach der obligatorischen Bootsfahrt sind wir auf den 14 km langen „Hiking-Trail“ ausgewichen und dann war es auch gut und schön. Auch hier trifft man gelegentlich Leute aber eben nur gelegentlich. Man muss auch nicht anstehen um an einer schönen Stelle ein Foto zu machen. Nur gut, dass in unserer Familie alle gerne Laufen. Sogar Lisbeth hat die Strecke mit ihren 4 Jahren bewältigt, war allerdings hinterher rechtschaffend müde.

Der erste Teil im Touri-Strom war schon ein bizarres Erlebnis. Das uns viele Menschen hinterherschauen und im Geiste nochmal nachzählen, sind wir inzwischen durchaus gewohnt. Nachzählende Menschen haben auch immer so einen lustigen Gesichtsausdruck 😉. Auch die Frage „Alles ihre?“ oder „Vier Mädels? Armer Papa!“ oder flotte Sprüche wie „Ganz schön fleißig! Hihihi“ (dazu ein schiefes Grinsen), passieren quasi täglich. Aber bisher hat noch niemand vorher gefragt „Darf ich ihre Kinder mal fotografieren, die sind so niedlich?“ Äh … auf die Frage bin ich jetzt gar nicht vorbereitet.

Unser Fazit, es ist gut da gewesen zu sein, aber wir würden nicht wieder hinfahren. Mit umgerechnet 90€ Eintritt ist der Besuch auch kein Schnäppchen. Da tröstet nur der Gedanke, dass mit den Eintrittsgeldern dass Fortbestehen dieses Naturschutzgebietes, in dem die Seen nur einen kleinen Teil ausmachen, unterstützt wird.

Von Burgen, Höhlen und dem, was wir verpassen

„Meinst du nicht deine Kinder könnten etwas verpassen?“ Das ist eine der häufigsten Fragen derer die sich kritisch zu unserem Reiseabenteuern äußern. Die Antwort darauf ist: „Ja, sicher!“. Natürlich verpassen die Kinder etwas, wenn sie einen Großteil des Jahres nicht zuhause bei Verwandten und Freunden verbringen und „Ja, sicher!“ lernen sie in der Schule andere Dinge, als sie das tun, wenn wir unterwegs sind. Das kann ich dann auch guten Gewissens so stehen lassen, weil es stimmt. Wir haben viele liebe Menschen „zuhause“ gelassen und unsere Mädels sind gerne zur Schule gegangen und manchmal haben wir auch Sehnsucht nach zuhause und Zweifel daran; ob es wirklich richtig ist, trotzdem zu reisen.

Und dann, am letzten Wochenende, da war es mir wieder so klar, dass es genau das ist, was im Moment für uns richtig und gut ist. Im Rahmen unseres „Geschichtsunterrichts“ Klasse 7 und weil es cool war, haben wir eine mittelalterliche Höhlenburg in Slowenien besichtigt. Der nette Guide am Eingang, hat uns freundlich eingewiesen, uns mit Audioguides ausgestattet und gesagt „Sie werden so ca. eine Stunde brauchen“, mit einem Seitenblick auf unsere muntere Kinderschar. Am Ende waren wir gute drei Stunden in der Burg, wir haben alle Schilder gelesen, alle Texte angehört und Parallelen zum Physik- und Erdkundeunterricht gezogen. Die Kinder waren mit Feuereifer bei der Sache und die Begeisterung, mit der sie die Welt entdecken, macht mich stolz.

Die Neugier und Begeisterung beschränkt sich nicht nur auf Burgen, sondern bezieht sich auf so ziemlich alles, dem wir begegnen. Zum Beispiel Europas zweitgrößte Höhle, die sie mit Patric besichtigt haben oder auf die Flora und Fauna der Vintgar Klamm, durch die wir am Tag zuvor gewandert sind.

Wir wollen nicht, dass unsere Kinder etwas verpassen. Es geht darum Verantwortung zu übernehmen, für die wenige Zeit, in der wir das Privileg haben sie auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden zu begleiten.

Deshalb reisen wir – für mehr Familienzusammenhalt, für gemeinsame Erlebnisse und Erinnerungen, für mehr Zeit zum Kind sein, für mehr Zeit für die übergeordneten Ziele und Werte und um die Neugier auf diese Welt, mit all seinen Felsenburgen, Höhlen und Grottenolmen, am Leben zu halten.

Steht dem, was die Kinder verpassen denn auch ein Gewinn gegenüber??